Hier bin ich also gelandet... Longyearbyen, die nördlichste
Stadt der Welt. Und inzwischen seit gut sechs Wochen mein zu Hause. Diese
Zeitspanne erinnert mich an Sommerferien, Referendariat und Staatsexamen. An die Freunde zu Hause die eine neue Stelle als Lehrer angetreten haben, die ihr Hauptjahr im Ref erleben oder die, die längst im Arbeitsleben angekommen sind. Erinnerungen an eine andere Zeit. Schöne Erinnerungen. Aber all das scheint weit entfernt. Es
gab wohl kaum sechs Wochen in meinen bisher fast 30 Jahren, die mein Leben so
grundlegend in andere Bahnen gelenkt haben wie diese. Wer weiß, vielleicht
spricht hier auch noch die Euphorie des Anbeginns aller Dinge... Aber was ich
bisher erleben durfte... Schnee im August, tagelang Sonne (24 Stunden Helligkeit),
kalbende Gletscher, schwimmen zwischen Eisbergen, Wale, Robben, Rentiere,
unzählige Vögel und sogar Eisbären. Natur wie man sie kaum beschreiben kann,
Sonne und Schnee, Regen und Sturm, Berge und Flüsse, Gletscher und Fjorde... und
wir haben immer noch Sommer. Was sind schon -12° C... Die wirklich extremen
Wetterbedingungen erwarten mich noch.
Auch sehr interessant sind die unterschiedlichen Menschen und der Umgang der untereinander
gepflegt wird. Alles geht ein bisschen langsamer, alle sind ein bisschen
freundlicher, hilfsbereiter, offener,
geduldiger und entspannter. Man merkt irgendwie, dass jeder jeden kennt und
dass man jedem immer wieder begegnen wird.
Naja, um hier mal ein bisschen Struktur rein zu bringen, werde ich von vorne
beginnen und versuchen, die einzelnen Abschnitte mit Bildern zu veranschaulichen.
Vorbereitung
Vor vier Jahren habe ich zum ersten Mal von diesem Studiengang an der
nördlichsten Uni der Welt gehört. ANG - Arctic
Nature Guide...
http://www.arcticnatureguide.no/index.php
Mit meiner ersten Bewerbung 2009 landete ich auf einer
Warteliste und bin schließlich nicht reingekommen. Ein 1. Staatsexamen, ein
Magisterstudium und ein 2. Staatsexamen später habe ich mich im Frühjahr 2012
erneut beworben. Und wurde angenommen. Und mit den Unterlagen kam eine
Ausrüstungsliste, mit all den Dingen, die ich mir sowieso eigentlich schon
immer kaufen wollte. Von Steigeisen über Lawinensonden bis hin zu Pulka
(Schlitten den man auf Skiern hinter sich herzieht), GPS - Gerät und jede Menge warmer Klamotten.
Unterstützung fand ich sowohl in kompetenter Beratung als auch in preislichem
Entgegenkommen bei Bergland in Stuttgart
http://www.alpinsport-bergland.de/start.html
Vielen Dank nochmal auf diesem Weg.
Anreise
In der Nacht vor meiner Abreise habe ich gute sechs Stunden geschlafen... Alle
die mich kennen wissen, dass ich gewöhnlicherweise bis in die frühen
Morgenstunden mit Packen beschäftigt bin... Dank hilfsbereiter Freunde gab es in
den Abendstunden sogar noch ein Abschiedscider/bier auf dem Marktplatz in Lubu.
Wie ich am nächsten Morgen dann knapp 100 kg Gepäck und ein Fahrrad durch Zug und S-Bahn zum Flughafen
Frankfurt bekommen habe, weiß ich nicht mehr genau...
so irgendwie hab ich es aber
in den Flieger geschafft...
Vier Stunden Aufenthalt in Oslo und dann die
Landung um 00:20 Uhr in Longyearbyen Airport.
Mit Sonnenschein... Schon
merkwürdig!
Nachdem ich mein ganzes Gepäck zu meiner vorläufigen Bleibe (einem
norwegischen Couchsurfer) geschafft hatte, war ich müde genug um trotz Sonne
und ungewohnter Umgebung 12 Stunden zu schlafen.
Die erste Woche
Die Sonne des Anreisetags ließ lange auf sich warten... Grau in Grau schwamm
die Nebelsuppe für Tage über Longyearbyen.
Das "Stadtzentrum" mit der brühmten Statue eines Kohleminenarbeiters.
Außerdem der nördlichsten Kirche, des nördlichsten Bankautomaten, der nördlichsten Post usw... der Welt. :-)
Schwarzer Kohlestaub, riesige
Schutthaufen ehemaliger Bergwerke.
Wenn nicht alles so neu und aufregend
gewesen wäre, hätte das Wetter schier auf die Stimmung drücken können. Ich bin mehr den je auf die Dunkelzeit gespannt und welchen Effekt sie auf mich haben wird.
Studienbeginn
Nach und
nach reisten mehr und mehr zukünftige Studienkollegen an und ich konnte in unser
"Wohnheim" umziehen, (eigentlich ein Guesthouse mit 10qm Zimmern, 4
Duschen pro Stockwerk und einer Gemeinschaftsküche) das wir aber immerhin für
uns haben. Das heißt 19 von 26 ANG-Studenten leben hier zusammen. Und wo wir
schon mal bei Zahlen sind... Von gut 80 Bewerbern waren etwas mehr als 50 durch
die benötigten Voraussetzungen für den Studiengang qualifiziert. Im
Klassenverband sind wir jetzt wie gesagt 26 Studenten.
Die erste Woche ware von Vorstellungsrunden und Besichtigungsterminen
bestimmt. Von Anfang an waren wir so oft wie möglich draußen. Die Art zu lernen sagt mir zu. Jeder Lernprozess bedarf seiner Zeit. Und hier bekommt er Zeit. "Experience based learning" führt dazu, dass man seine Handlungen überdenkt, dass man versucht das Gelernte nicht nur anzuwenden sondern zu verstehen und eigene Wege des Umgangs zu finden.
Anyway, in unserer "Einführungswoche" bekamen wir die Chance mit diversen lokalen Unternehmen auf
"Schnuppertour" zu gehen.
Per Quad und Hundeschlitten (im Sommer auf
Rädern) erkundeten wir Longyearbyen und Umgebung. Und auf einem Tagesausflug
per Schiff nach Pyramiden wurde uns die längst verlassene russische Siedlung
ca. 30km nördlich von Longyearbyen näher gebracht.
Meine Kommilitonen entpuppten
sich als nette und weit gewöhnlichere Menschen als erwartet. Das meine ich positiv. Welche Menschen zieht es hier her? Gibt es einen speziellen Typ? Nach allem, was ich bisher erleben durfte, nicht. Jeder hat seine Gründe, seine Träume und Hoffnungen, die er mit diesem Jahr, diesem Studium oder diesem Ort verbindet. Was uns vereint sind die Erlebnisse und die Erfahrungen. Und es zeigt sich wieder einmal, wie schnell eine Gruppe zusammen wächst, wie gut man sich zu kennen scheint, wenn man sechs Wochen so intensiv erlebt hat, wie wir.
Einen wunderschönen Eindruck unserer ersten Woche vermittelt auch ein Film, den ein Kommilitone zusammen gschnitten hat:
http://www.youtube.com/watch?feature=endscreen&v=mDDkVuJ-1TI&NR=1